Westfernsehen

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Der Begriff Westfernsehen bezeichnete während der Deutschen Teilung alle westeuropäischen Fernsehsender, die in der DDR neben dem DDR-Fernsehen zu empfangen waren. ARD und ZDF konnten fast überall (außer im östlichen Sachsen, wo der Begriff „Tal der Ahnungslosen“ geprägt wurde, und dem äußersten Nordosten) empfangen werden. NDR, SFB, HR und BR sowie ab Mitte der 1980er Jahre RTL, Sat.1 und RIAS-TV nur in bestimmten Regionen. Das Vormittagsprogramm der ARD, später gemeinsam mit dem ZDF, wurde von 1961 bis 1980 exklusiv für die DDR gesendet. Im Berliner Raum war noch amerikanisches, britisches und französisches Soldatenfernsehen mit geeigneten oder umgebauten Fernsehempfängern wegen der Verwendung anderer Fernsehnormen und geringer Sendeleistungen meist nur in unmittelbarer Grenznähe empfangbar.

Bedeutung[Bearbeiten]

Durch das Westfernsehen konnten sich große Teile der Bevölkerung der DDR einen Eindruck über das Leben und die Konsumwelt in Westdeutschland verschaffen. Erst in den 1980er Jahren waren überhaupt Videorekorder und Videokassetten für DDR-Bürger zugänglich, aber nur begrenzt und ausschließlich über private Kontakte. Die Gründe für den Empfang des Westfernsehens waren für die meisten DDR-Bürger das größere Fernsehprogrammangebot, interessante Spielfilme, Fernsehserien, Musiksendungen, Unterhaltungsshows sowie Sport- und Fußballübertragungen der Bundesliga.

Aber auch Nachrichtensendungen im Westfernsehen galten als interessant, da sie die aktuellen Themen von einer anderen Seite betrachteten. Zudem sendete das Westfernsehen auch in der DDR nicht veröffentlichte Meldungen, so über kirchliche und regimekritische Aktivitäten oder auch über geglückte und gescheiterte Republikfluchten. Es wurde beispielsweise im Mai 1989 eine geglückte (und gefilmte) Flucht im Westfernsehen gezeigt, bei der die Brüder Holger und Ingo Bethke ihren Bruder Egbert Bethke in Ostberlin am Treptower Ehrenmal mit zwei Ultraleichtflugzeugen abholten.[1] Auch über die „Republikflüchtigen“ in Ungarn wurde im Westfernsehen wesentlich ausführlicher berichtet, auch diese Information führte zu der Ausreisewelle über Ungarn.
Während der Wende traten politische Themen beim Westfernsehempfang stark in den Vordergrund, wie bei den Montagsdemonstrationen in Leipzig und zur Wiedervereinigung Deutschlands.

Der schwarze Kanal[Bearbeiten]

Der Fernsehvorspann der Sendung

Die Staatsführung der DDR versuchte bis 1989, sich mit Mitteln der Fernsehpropaganda in der Fernsehsendung Der schwarze Kanal politisch-agitatorisch anhand von Sendungsausschnitten mit dem Westfernsehen auseinanderzusetzen. Auf diese Weise waren kurze Ausschnitte aus Fernsehsendungen der BRD auch in dieser Sendung des Fernsehens der DDR zu sehen.

Eigeninitiative und Selbstbau von Antennenanlagen[Bearbeiten]

Zum Empfang des Westfernsehen mussten interessierte DDR-Bürger häufig in Eigeninitiative geeignete Antennen, Filter, Verstärker und UHF-Vorsatzkonverter beschaffen. Viele selbstgebaute Anlagen belegten das Improvisationsvermögen und technische Können der DDR-Bürger, jedoch besonders das Interesse am Empfang des Westfernsehens. Im Handel der DDR gab es von RFT Zubehör wie etwa Antennenverstärker und Kanalweichen, die sich auch zum Empfang der Westfernsehens eigneten. Bauanleitungen für Antennenverstärker und Fachbücher für den Antennenbau wie das Spindler Antennenbuch oder das Antennenbuch von Karl Rothammel waren frei erhältlich.

Verbote[Bearbeiten]

Angehörigen der Staatsorgane, so der NVA, der Polizei und Feuerwehr war es bis 1990 untersagt, westliche Fernseh- und Radiosender zu empfangen. In den Fernsehräumen der NVA-Kasernen wurde versucht, dieses Verbot durch die Versiegelung der TV-Geräte und disziplinarische Konsequenzen durchzusetzen, was jedoch nur teilweise gelang.

Der Sendeturm Ochsenkopf in Bayern

Anfang der 1960er Jahre wurde in der „Aktion Ochsenkopf“ die Bevölkerung aufgefordert, Vorrichtungen in den Fernsehgeräten, die Westempfang ermöglichten, zu entfernen und Antennen, die nach Westen gerichtet waren, zu beseitigen. FDJ-Trupps entfernten mitunter eigenmächtig Antennen von Häuserdächern, vereinzelt kam es zu Rangeleien. Die Aktion war nach der westdeutschen Sendeanlage Ochsenkopf nahe der innerdeutschen Grenze benannt, die gezielt in die DDR sendete.[2] Die Kampagne war von einer großen staatlich gelenkten Presseberichterstattung und Denunziationsversuchen seitens der FDJ begleitet. Dennoch scheiterte die Kampagne schon nach wenigen Wochen, weil sich zu viele Bürger in ihren Privatwohnungen der Überwachung entziehen konnten – notfalls durch so genannte Nachtantennen, die nur zum Fernsehempfang in der Dunkelheit herausgefahren wurden.

Es gab aber trotz solcher Aktionen nie ein gesetzliches Verbot des Westfernsehkonsums. Seit den 1970er Jahren, begleitet von der Entspannungspolitik zwischen der Bundesrepublik und der DDR, sah die Staatsführung das Thema gelassener und nahm ihn hin. Damals sollen laut Umfragen schon 70 Prozent aller Fernsehgerätebesitzer Westfernsehen gesehen haben. Die Handhabung war aber regional und örtlich unterschiedlich.

Ab diesem Zeitpunkt wurde in Regionen mit besonders schwierigen Empfangsverhältnissen sogar die Bildung von lokalen Antennengemeinschaften, einer Vorläuferform des Kabelfernsehens, geduldet. Auch boten oder gestatteten viele kommunale und genossenschaftliche Wohnungsverwaltungen ihren Mietern die Möglichkeit, das Westfernsehen zu sehen. Der Empfang dieser Sender in staatlichen Einrichtungen wie Wohnheimen blieb weiterhin offiziell untersagt und wurde auch teilweise mit Hilfe von Sperrfiltern unterbunden. Dort, wo ein Empfang trotzdem möglich war, wurde er jedoch oft stillschweigend geduldet.

Reichweite und Störsender[Bearbeiten]

In einigen Regionen der DDR konnte Westfernsehen und Radio aufgrund der Beeinträchtigung durch lokale Radio- und Fernsehstationen sowie durch benachbarte TV-Umsetzer, wie auch den Fernmeldeturm Calau schlecht oder gar nicht empfangen werden. Allerdings wurde hier meist auf international koordinierten Frequenzen gesendet.

Fernsehempfang[Bearbeiten]

Grobe Darstellung der ARD-Reichweite in das Gebiet der DDR mit Senderstandorten

Dank der topografischen Gegebenheiten war Westfernseh-Empfang im größten Teil der DDR mehr oder weniger gut möglich: ARD und ZDF hatten absichtlich starke Grundnetzsender in Grenznähe positioniert (ebenso wie der DFF in die andere Richtung), und reichten so bis zu 200 Kilometer weit in die DDR hinein. Die Tatsache, dass der Südwesten der DDR wie eine „Halbinsel“ in das Gebiet der Bundesrepublik hineinragte, verhalf diesem zu besonders guten Empfangsbedingungen. Die mitten in der DDR gelegenen Sender in West-Berlin füllten ebenfalls eine regionale Lücke aus. In ungünstigen Empfangslagen wurde in der DDR oft ein großer Aufwand für die Antenne, beispielsweise die sogenannte Ochsenkopfantenne, betrieben, was die Reichweiten zusätzlich vergrößerte.

Nur im äußersten Nordosten (Vorpommern ab etwa östlich des Darß und nördlich von Neubrandenburg, mit Greifswald, Rügen, Usedom) und Südosten (Sachsen etwa ab Dresden und südöstlich davon) war kein durchgehender terrestrischer Empfang mehr möglich, mit Ausnahme weniger Ortslagen, beispielsweise die Lagen am nördlichen Rand des Elbkessels in Klotzsche und Weißer Hirsch in Dresden. Die große Entfernung sowohl von der westdeutschen Grenze als auch von Berlin und besonders in Dresden die ungünstige Tallage verhinderten den Empfang. Scherzhaft wurde so ARD als Abkürzung für „Außer Raum Dresden“ oder seltener „Außer Rügen und Dresden“ gedeutet.

Der Fernsehempfang aus Westdeutschland wurde nie aktiv von Seiten der DDR technisch gestört. Der Fernsehempfang in Schwarz-Weiß war in den 1960er Jahren nach der Umstellung des DDR-Fernsehens auf das westeuropäische CCIR-System mit handelsüblichen Fernsehgeräten problemlos möglich. Viele moderne Farbfernsehgeräte von RFT waren schon ab Werk mit einem zusätzlichen, in der BRD üblichen PAL-Farbfernsystemdecoder im Einzelhandel der DDR erhältlich, auch eine nachträgliche Erweiterung auf das PAL-System war oft technisch problemlos möglich.

Hörfunkempfang[Bearbeiten]

Auf Mittelwelle konnte auch in weiten Teilen dieser Gegenden bei günstigen Bedingungen (hauptsächlich nach Einbruch der Dunkelheit) Westradio empfangen werden: In Sachsen der Bayerische Rundfunk, der mit 100 kW aus Ismaning auf 801 kHz sendete und in Vorpommern der Norddeutsche Rundfunk, der auf 972 kHz ebenfalls mit 100 kW aus Hamburg sendete. Dann war auch der Empfang von Radio Luxemburg und der Europa Welle Saar (SR1) möglich. Der Empfang der Deutschen Welle über Kurzwellenfrequenzen war in der gesamten DDR möglich, erforderte jedoch ein geeignetes Radio und war kein Ersatz für Westfernsehen oder UKW-Sendungen in Stereo.

Auch die Langwellensender des Deutschlandfunks stellten ein leistungsfähiges Instrumentarium dar, um in der gesamten DDR und auch in Ländern Osteuropas an Informationen aus westlichen Quellen zu gelangen. Der Empfang war im gesamten Gebiet der DDR prinzipiell ganztags möglich.

Aktive technische Störmaßnahmen der DDR, die sich direkt gegen den Empfang von Westprogrammen richteten, sind für zwei Programme bekannt. Die Mittelwellenfrequenzen des RIAS wurden bis Ende der 1970er Jahre gestört, dies betraf nicht die UKW-Ausstrahlung. Mit dem Inkrafttreten eines neuen internationalen Frequenzplans für den Mittelwellenbereich endeten die Störungen.

1989 in der Wendezeit wurde das Programm des West-Berliner Senders Hundert,6 auf UKW durch einen im Berliner Fernsehturm aufgebauten Sender gestört, nachdem dort eine eigene Sendung von DDR-Oppositionellen (Radio Glasnost) eingerichtet wurde. Diese Störungen waren auffällig, da sie nur auf Wortbeiträge Anwendung fanden, der Fernsehsender RIAS-TV informierte darüber. Der Empfang in Teilen von West-Berlin war auch gestört. Ironischerweise wurde nach der Wende das reguläre Programm von Hundert,6 über die von der DDR zum Stören eingesetzte Sendeanlage ausgestrahlt.

Antennengemeinschaften und private Kabelnetze[Bearbeiten]

Rechtlich waren der Satellitendirektempfang und Antennengemeinschaften in der DDR erlaubt. Wie Großgemeinschaftsantennenanlagen waren sie zu genehmigen, was aber problemlos möglich war. Mit privat importierten Satellitenschüsseln entstanden zum Ende der 1980er Jahre in Regionen ohne Westfernsehen von Initiativen gebaute Kabelnetze. Die Netze wurden geduldet, später sogar indirekt gefördert, indem Neubaugebiete schon in der Bauphase verkabelt wurden.

In die Kabelnetze wurden Programme wie 3sat oder die gerade entstandenen, noch experimentierfreudigen Privatsender RTL, Sat.1 und Tele 5 eingespeist. ARD, ZDF und die Mehrzahl der Dritten Programme waren zur damaligen Zeit jedoch noch nicht per Satellit verfügbar. Vereinzelt wurden deshalb aufwendige Antennenanlagen an besonders günstigen Orten aufgestellt, um diese Programme von dort in die Kabelnetze einspeisen zu können.

Einige dieser Anlagen werden heute noch als Kabelfernsehen von den Nachfolgern der damaligen Betreiber weiter betrieben. Andere Anlagen verschwanden nach der deutschen Wiedervereinigung nach der Einführung des Kabelfernsehens durch die Deutsche Bundespost.

Wichtige Senderstandorte in der Bundesrepublik[Bearbeiten]

Wichtige Grundnetzsender waren von Nord nach Süd:

  • Bungsberg (ARD/ZDF/N3)
  • Dannenberg (ARD)/Sender Höhbeck (ZDF/N3)
  • Torfhaus (ARD/ZDF/N3)
  • Hoher Meißner (ARD/ZDF/Hessen 3)
  • Kreuzberg (Rhön) (ARD)/Sender Heidelstein|Heidelstein (ZDF/Bayerisches FS/Hessen 3)
  • Ochsenkopf (ARD)/Sender Großer Waldstein|Großer Waldstein (ZDF/Bayerisches Fernsehen)

sowie die Sendeanlagen Scholzplatz (ARD) und Schäferberg (ZDF/N3) in West-Berlin.

Radio- und Fernsehsender aus Polen und der CSSR[Bearbeiten]

Die Volksrepublik Polen und die CSSR hatten das Fernsehen und den UKW-Rundfunk nach der OIRT-Norm. Deshalb war es nicht möglich, mit handelsüblichen UKW-Radioempfängern aus der DDR den UKW-Rundfunk im OIRT-Band zu empfangen. Beim Fernsehen konnte der Ton nur mit besonderen OIRT/CCIR Zweinormempfängern, wie dem in der DDR von Robotron produzierten Combi-Vision, einem tragbareren Schwarz-weiß-Fernseher, empfangen werden. Jedoch war das allgemeine Interesse am Empfang dieser Sender recht gering.

In einigen Gegenden wirkten diese Fernsehsender jedoch unbeabsichtigt auch als lokale Störsender, da diese auch auf gleichen oder benachbarten Frequenzen sendeten und damit den Empfang des Westfernsehens beeinträchtigten. Häufig wurde in diesen Fällen versucht, mit Richtantennen und Sperrfiltern (der sogenannten Tschechenfalle) den Empfang dieser störenden Sender zu unterdrücken.

Radio- und Fernsehsender der Alliierten[Bearbeiten]

In und um Berlin konnten die Radio- und Fernsehsender der alliierten Streitkräfte empfangen werden, die jedoch, wegen geringerer Sendeleistungen, nur eine sehr begrenzte Reichweite hatten. Aus den entsprechenden Westsektoren Berlins wurden die Fernsehsender AFN (US), BFBS (britisch) und France 2 (französisch) ausgestrahlt.

Wegen der verwendeten abweichenden Fernsehnormen bei AFN (NTSC) und BFBS (PAL I) war eine Wiedergabe dieser Sendungen auf in der DDR üblicherweise verwendeten Fernsehempfängern nur eingeschränkt möglich. Jedoch wurde der Sender France 2 nicht in der französischen Norm Secam L, sondern im in der DDR üblichen Secam B/G-Verfahren ausgestrahlt, so daß dieser auf sowohl in der DDR, als auch in West-Berlin verwendeten Empfangsgeräten gesehen werden konnte.

Auch der Sender der sowjetischen Streitkräfte, der eine Übernahme des ersten Fernsehprogramms aus Moskau darstellte und von diversen Standorten innerhalb der DDR ausgestrahlt wurde, verwendete den Secam B/G-Standard (anstelle des in Osteuropa üblichen Secam D/K) und konnte somit in der DDR und West-Berlin gesehen werden.

Des Weiteren gab es diverse Rundfunkprogramme der Alliierten auf UKW und Mittelwelle. Neben AFN und BFBS war der englischsprachige BBC Worldservice mit einem eigenen UKW-Sender in Berlin vertreten.

Literatur[Bearbeiten]

  • Thomas Beutelschmidt: Sozialistische Audiovision. Zur Geschichte der Medienkultur in der DDR. Potsdam 1995, ISBN 3-930850-14-1.
  • Rainer Bohn, Knut Hickethier, Eggo Müller (Hrsg.): Mauer-Show. Das Ende der DDR, die deutsche Einheit und die Medien. Berlin 1992, ISBN 3-89404-905-7.
  • Rolf Geserick: 40 Jahre Presse, Rundfunk und Kommunikationspolitik in der DDR. München 1989, ISBN 3-597-10568-8.
  • Gerhard Gmel, Susanne Deimling, Jürgen Bortz: Die Nutzung des Mediums Fernsehen in der DDR vor und nach der Wende. In: Rundfunk und Fernsehen. 4/1994, S. 542–554.
  • Kurt R. Hesse: Westmedien in der DDR. Nutzung, Image und Auswirkungen bundesrepublikanischen Hörfunks und Fernsehens. Köln 1988.
  • Tibor Kliment: Fernsehnutzung in Ostdeutschland und das Bild von der Bundesrepublik. Ein Beitrag zur Kultivierungshypothese. In: Rundfunk und Fernsehen. 4/1994, S. 485–509.
  • Norbert Linke: Die Rezeption der Programme von ARD und ZDF in der DDR als Gegenstand der SED-Kommunikationspolitik. In: Publizistik. 32/1987, S. 45–68.
  • Michael Meyen: Die ARD in der DDR. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. 20/2010, S. 28–34.

Weblinks[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. http://www.welt.de/die-welt/article3802967/In-elf-Minuten-und-zwei-Sekunden-ueber-die-Mauer-fliegen.html In elf Minuten und zwei Sekunden über die Mauer fliegen.] In: Die Welt. 26. Mai 2009.
  2. Der Spiegel am 6.9.1961: Aktion Ochsenkopf

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